„Wer es bis ganz nach oben im Management schaffen will, muss angstfrei sein!“ „Führungskräfte haben keine Angst und sie zeigen keine Angst – das macht sie erfolgreich.“ „Wie sonst könnten sie diesen steinigen Weg an die Spitze, unter Dauerstress und Positionierungsdruck, meistern?“ „Wie sonst könnten sie furchtlos vorangehen, so dass ihre Mitarbeiter ihnen vertrauen und folgen?“vSolche Sätze klingen doch überzeugend… wie etwas, was nun wirklich keiner bezweifeln kann: Angst gilt als eindeutiges Zeichen von Schwäche, Selbstzweifel und Verunsicherung – und die kann sich kein erfolgreicher Manager leisten, schon gar nicht in der VUKA-Welt. Also hat er keine!
Doch genau das funktioniert nicht.
Ohne Angst in Führung: der Mythos
Weil jeder Mensch Ängste hat. Ob er will oder nicht. Deshalb ist der Angst-Mythos unter den 7 Mythen der Führung der hinterhältigste. In der Zwickmühle zwischen Mythos und Realität bleibt dem Manager, der glaubt, keine Angst haben zu dürfen, scheinbar nur ein Ausweg: die Ängste, die er hat, verdrängen, beiseite schieben, unterdrücken, ignorieren. Das ist es, was wir bei zu vielen Führungskräften beobachten. Sie tun das oft so erfolgreich, dass Sie – würden Sie sie danach fragen – die Antwort erhielten: „Angst? Nein, habe ich nicht.“ Und das meinen sie ernst! Sie haben ihre Ängste so „erfolgreich“ aus ihrem Bewusstsein verdrängt, dass sie überzeugt sind, über jeglicher Angst zu stehen. Selbst dann, wenn einige dieser Ängste für ihr enges Umfeld deutlich sichtbar sind – wie die Angst „nicht abzuliefern“, die Angst vor Kontrollverlust, die Angst zu scheitern.
Na und?, sagen Sie, dann ignoriert er oder sie die Ängste halt. Oder verdrängt sie. Beim Führen braucht es eh einen kühlen Kopf und klaren Verstand. Wo ist das Problem?
Ja, wo ist das Problem?
Ohne Angst in Führung: das Problem
Mit kühlem Kopf und klarem Verstand führen geht so eben gerade nicht: Die verdrängten Ängste stehen den Managern bei ihrer Führungsarbeit massiv im Weg. Denn eine Angst, die ins Unbewusste abgedrängt ist, verschwindet nicht. Im Gegenteil.
Die Angst beeinflusst – einmal angetriggert – das Handeln noch viel stärker, weil der Betroffene ihren Einfluss nicht bewusst wahrnimmt und deshalb nicht kanalisieren kann. Das Handeln läuft einfach von selbst ab – und zwar nach tief eingegrabenen Mustern. Diese Muster sind so robust, dass sie ohne Nachdenken immer abgerufen werden können.
Diese Muster können ganz unterschiedlich sein.
Ohne Angst in Führung: die Muster
So fangen manche Manager an, Mitarbeiter anzuschreien und niederzumachen. Sie haben gelernt, dass der Angriff ihr bester Schutzmechanismus ist – und schalten bei Angst in den Kampfmodus. Bei der kleinsten Irritation verlieren sie die Nerven. Die Lunte bei Managern im Dauerstress wird kürzer und kürzer. Andere werden in solchen Situationen zwanghaft methodisch und flüchten in Prinzipien. Sie haben gelernt, dass Rückzug für sie der bessere Weg ist. Sie meiden Kontakte und isolieren sich. Sie stornieren Meetings, grüßen niemanden mehr und schließen sich quasi in ihrem Büro ein, um jegliche Begegnung zu unterbinden.
Helfen diese antrainierten Muster nicht oder nicht mehr, die unbewusst arbeitenden Ängste in den Griff zu kriegen, aktiviert das Gehirn die archaischen Notprogramme.
Ohne Angst in Führung: das Notfallprogramm
In dieser Situation nimmt die Amygdala, das Angst-Zentrum, das rationale Denken regelrecht in Geiselhaft. Der für rationales, logisches Denken zuständige Präfrontale Kortex wird schlicht und einfach gekapert. Außer Kraft gesetzt.
Die Folge: Der Fokus des Denkens und der Wahrnehmung verengen sich. Die Situation wird nur noch schwarz oder weiß gesehen. Richtig oder falsch. Gut oder schlecht. Das Urteilsvermögen schwindet, das Gedächtnis wird unzuverlässig. Es wird immer schwieriger, das größere Bild und alternative Möglichkeiten zu sehen. Übrig bleibt der animalische Reaktions-Dreiklang: „Fight, Flight, Freeze“.
Mit kühlem Kopf, Weitblick und gelassen Entscheidungen treffen? Keine Chance.
Angst in Führung: die Auseinandersetzung
Wie fatal die unterdrückte Angst einer Führungskraft für einen selbst und das eigene Umfeld ist, haben wir nicht nur in unserer aktuellen Podcast-Folge zu Karfreitag (überall, wo es Podcasts gibt und auf unserer Website: „Dierke & Houben. Der Führungs-Podcast“) beschrieben, sondern auch in unserem Buch „Die 7 Mythen der Führung“ – weil uns gerade die Aufdeckung des Angst-Mythos so besonders am Herzen liegt: Denn er beschränkt den Einzelnen massiv in seinem Führungspotenzial und damit die gesamte Organisation in ihren Erfolgsmöglichkeiten.
Lassen Sie sich doch mal drauf ein und arbeiten mit der Angst – im Podcast haben wir vier konkrete Experimente zum Umgang mit der Angst skizziert.