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Der neue Kult des Scheiterns: Ein Führungs-Mythos in Verkleidung

Das Silicon Valley gilt als Labor des digitalen Kapitalismus: Hier werden die visionären Geschäftsmodelle entwickelt. Hier werden Ideen in Milliardenwerte verwandelt. Hier wird die Zukunft gemacht. 

Deshalb pilgert seit Jahren nahezu jedes siegesgewohnte Vorstandsteam, das etwas auf sich hält, einmal im Jahr nach Kalifornien. Es geht darum, sich von den neuesten Einsichten erfolgreicher Gründer inspirieren zu lassen. Und vielleicht auch, sich mit der „hippen“ Aura zu umgeben. 

Und doch hat sich gerade im Silicon Valley in den letzten Jahren eine Ideologie verbreitet, die auf den ersten Blick das Gegenteil von Siegen zu sein scheint: ein Kult des Scheiterns. 

Fail often, fail early, fail cheap

Kaum eine unternehmerische Erfolgsgeschichte kommt heute ohne ein Lob des Scheiterns aus. Intelligentes Scheitern wird zur elementaren Triebkraft des wirtschaftlichen Fortschritts erhoben: „Fail often, fail early, fail cheap“. 

CEOs kommen reihenweise aus dem Silicon Valley zurück, um dieses Motto ihren Führungskräften als neue Einsicht zu verkünden. Unter uns: Immer in der Hoffnung natürlich, diese mögen diesem Motto nicht allzu enthusiastisch folgen. 

Es scheint, als habe dieser „Kult des Scheiterns“ den Sieger-Mythos abgelöst, der ansonsten das Top-Management regiert und dessen schädliche Auswirkungen wir Ihnen in unserem letzten Blog vorgestellt haben. Doch das täuscht. 

Mythos mit Tarnkappe

Das Scheitern, das hier als produktive Kraft gepriesen wird, ist nicht die Antithese des Siegens. Es wird zu einem notwendigen Schritt auf dem Weg dahin umgedeutet. 

Scheitern ist in dieser Ideologie ein Instrument des Siegens. Viele Erfolgreiche fügen das Scheitern inzwischen sogar bewusst in ihr persönliches Narrativ ein: Die reale Gefahr, das große Risiko und das Wiederaufstehen nach dem Scheitern lassen ihren finalen Sieg noch eindrucksvoller erscheinen. So wird die Heldenhaftigkeit des Sieges zusätzlich unterstrichen, denn der Erfolg war eben nicht Zufall, sondern Lohn für die Anstrengung, sich gegen das Scheitern aufzulehnen. Um es mit den Worten des Dichters Rainer Maria Rilke zu sagen: „Es erhält sich der Held, selbst der Untergang war ihm nur ein Vorwand, zu sein.“

Der Kult des Scheiterns ist also ein Sieger-Mythos mit Tarnkappe.

Reiner Selbstzweck

So verkleidet setzt sich der Sieger-Mythos auch in hochmodernen Unternehmen des digitalen Kapitalismus fort. Warum auch sollte das Prinzip von Wettbewerb und Konkurrenzkampf, das zwischen Unternehmen gilt – das Prinzip, auf dem das kapitalistische Wirtschaftssystem beruht –, nicht auch innerhalb jedes Unternehmens gelten? 

Weiterhin setzen sich fast zwangsweise jene durch, die den Sieger-Mythos am bedingungslosesten verinnerlicht haben. Jene, denen Siegen Selbstzweck ist. Jene, die bereit sind, sich selbst darauf zu konditionieren und diesem Zweck alle einschränkenden Erwägungen zu unterwerfen – mit allen negativen Folgen.

Fuck up, Mythos!

Lassen Sie sich deshalb nicht vom Kult des Scheiterns und „Fuck-up-Nights“ täuschen: Für souveräne Führung können Sie dort nicht viel lernen. Und erst recht nicht, wenn Sie nach einem Weg suchen, die Sieger in Ihrem Führungsteam so zu führen, dass sie gemeinsam als „ein Team“ den Herausforderungen der VUCKA-Welt begegnen.

Wir möchten gerne Ihren Blick schärfen für die Prämissen, unter denen heute in den meisten Organisationen in Wirtschaft und Gesellschaft geführt wird – und unter welchen Prämissen Sie als Top-Manager wirklich erfolgreich werden. Zu diesem Zweck haben wir unser neues Buch geschrieben: „Die 7 Mythen der Führung“. Denn Mythos bleibt Mythos, in welchem Gewand auch immer. Und der ist einer modernen Führung nie zuträglich.

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