Führung, Leadership, Unternehmen, Management, Mythen
DierkeHouben Insights

Der Höchstleister-Quantensprung in der Führungskräfteentwicklung

Im alten Rom gab es die Tradition, ruhmreiche Feldherren damit zu ehren, dass sie in einem Triumphzug in die Stadt zurückkehren durften. Doch die Römer waren klug genug, ihre Helden in dieser Stunde der höchsten Verehrung quasi auf dem Boden zu halten. Der Sklave, der auf dem Streitwagen mitfuhr, hatte nicht nur die Aufgabe, dem Feldherrn einen Lorbeerkranz oder die Jupiter-Tempel-Krone über den Kopf zu halten. Er musste auch ununterbrochen flüstern: „Sei dir deiner Sterblichkeit bewusst!“

Das würden wir uns auch für so manchen Manager im Rausch von temporären Erfolgen wünschen. Denn sonst wird er ein leichtes Opfer der beiden Tücken des Helden-Mythos: Die Selbstüberschätzung des eigenen Wissens und die Selbstüberhöhung als Führungskraft drohen nahezu jedem Manager irgendwann einmal – vor allem, wenn sie nicht auf einen grundlegenden Quantensprung vorbereitet sind.

Der Quantensprung der Höchstleister

Klassische Managerkarrieren starten immer noch meist im Expertenstatus. Jobeinsteiger nach dem Studium auch an internationalen Elite-Unis sind in allem trainiert, was ihre fachliche Leistung fördert. Und diese Entwicklung wird inhouse fortgesetzt. Es wird alles daran gesetzt, um sie sattelfest für ihre strategischen und operativen Aufgaben zu machen. Und genau dann, wenn sie in diesem Gebiet optimale Leistung bringen, werden sie befördert. Sie werden Führungskraft, mit stetig wachsendem Verantwortungsbereich.

Doch es ist ein fundamentaler Unterschied, ob Sie nur für Ihre eigenen Arbeitsergebnisse Verantwortung tragen oder auch für die Ihrer Mitarbeiter. Aber genau darauf werden Führungskräfte zumindest im deutschsprachigen Raum – wenn überhaupt – nur sehr nachlässig vorbereitet.

Hier liegt die Krux: Es gibt oft keine explizite Lernphase für Führungskräfte zwischen zwei völlig unterschiedlichen Anforderungen: von „Verantwortung für die Aufgabe“ zu „Verantwortung für diejenigen, die die Aufgabe bewältigen“. Dabei ist der Schritt vom individuellen Höchstleister zum souveränen Führer anderer individueller Höchstleister ein Quantensprung. 

Führungskräfteentwicklung als Muskeltraining

Viele Großunternehmen versuchen diese Lücke im Nachhinein durch Führungskräfteprogramme zu füllen – manchmal halbherzig als Pflichtprogramm, manchmal voll guten Willens. Aber: Über lange Jahre eingeübte Management-Routinen lassen sich kaum durch sporadische Führungsprogramme verändern. 

Führen ist wie ein Muskel, der trainiert und geformt werden kann. Und doch wird dieser Muskel in den meisten Unternehmen nicht gleichwertig trainiert und priorisiert wie die Muskeln des Expertentums oder analytischer Kompetenz.

Genau deshalb sehen wir so viele Micro-Manager statt Führer auch auf der Vorstandsebene von Unternehmen. 

Micro-Manager in Führung

Sie haben ihre antrainierten und liebgewonnenen Verhaltens-Erfolgsmodelle aus ihrer Zeit als Bester unter Experten mitgenommen. 

Dieses tief verankerte Selbstverständnis geht so nahtlos in ein heroisches Führungsverständnis über: „Ich führe, weil ich es besser weiß als andere.“ So erleben wir selbst bei den Top-Managern, die explizit moderne, agile Führung propagieren, dass der Glaube an den Helden-Mythos immer wieder aufblitzt. Entweder weil sie sich nicht bewusst sind, wie nachhaltig sie dieser Mythos mit Selbstüberhöhung und Selbstüberschätzung im Griff hat, oder weil sie ihn gar nicht als solchen erkennen. 

Dabei steht er ihnen bei ihrer Entwicklung und auch bei ihren potenziellen Erfolgen nur im Weg. Doch der Schritt raus aus diesem Mythos lässt sich lernen. 

Der Weg der Befreiung

Dieses Lernen bedarf einer harten Lektion. Es bedeutet, das eigene Ego zu zähmen, zurückzustellen und neu zu justieren. Das fängt mit einer Frage an, die ganz und gar harmlos daher kommt – und es doch in sich hat: Wofür tragen Sie hier die Verantwortung? Dass Sie die Aufgaben in Ihrem Bereich bewältigen? Oder für diejenigen, die die Aufgabe in Ihrem Bereich bewältigen?

Warum Sie Ihre Antwort auf diese Frage hinterfragen sollten, warum es so schwierig ist, den Anspruch, der daraus folgt, persönlich anzuerkennen, und warum ihn nicht viele wirklich erreichen, beschreiben wir ausführlich in Kapitel 7 unseres Buches „Die 7 Mythen der Führung

2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Thomas Kremer
    10. Februar 2022 10:44

    Hm, ich sehe darin weniger ein entweder oder sondern eher ein sowohl aus auch. Mitarbeiter schätzen es, wenn die Führungskraft auf Augenhöhe mit ihnen diskutieren kann. Die Akzeptanz der Ergebnisse ist dann auch besser.

    Thomas Kremer

    Antworten
    • Lieber Herr Kremer, bin völlig Ihrer Meinung – aber es ist für viele ja ein echter Drahtseilakt zwischen „auf Augenhöhe zu diskutieren“ und nicht – weil man als Führungskraft so viel Detailwissen hat – ins Mikro-Management abzurutschen. Herzlich, Anke Houben

      Antworten

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