Blog: Warum immer gewinnen wollen nicht immer gut ist - DierkeHouben
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Warum immer gewinnen wollen nicht immer gut ist

Haben Sie sich schon mal gefragt, warum manche alten Führungsmuster einfach nicht aus der Mode kommen? Obwohl sich die Welt und die Anforderungen an Führungskräfte in den letzten 20 Jahren massiv verändert haben, scheint es, als ob viele Manager immer noch in längst überholten Denkmustern feststecken.

In den letzten Monaten haben wir gleich mehrere Manager an höchster Stelle erlebt, deren Verhalten so gegen alles spricht, was als gute Führung diskutiert wird. Sie sind dominant, einschüchternd, verbreiten Angst – dabei wissen wir alle, dass Vertrauen, psychologische Sicherheit und Teamarbeit viel bessere Ergebnisse liefern.

Wir sind immer wieder erstaunt, wie lange zweifelhafte Führungsvorbilder und alte Führungsmethoden immer noch ihre Macht entfalten.

Welchem Vorbild eifern diese Manager – bewusst oder unbewusst – eigentlich nach?

Jack Welch: Ein Held von gestern?

Wer kennt ihn nicht, den Namen Jack Welch? Viele Manager, vor allem die der Boomer-Generation und manche ältere Vertreter der Generation X, haben seine Führungsphilosophie geradezu inhaliert. Welch war von 1981 bis 2001 Vorstandsvorsitzender bei General Electric und hat mit seinem Ansatz – „Business is a game and winning that game is a total blast“ – eine ganze Generation von Führungskräften geprägt, die heute an der Spitze vieler Unternehmen stehen. Für Welch, auch Neutronen-Jack genannt, galt: „Confrontation was his steady state“. Siegen – darum ging es ihm.

Der kometenhafte Aufstieg von GE unter seiner Leistung und die Faszination für Welchs Trainingszentrum Crotonville hat diesen Stil für viele zum Goldstandard gemacht. Und obwohl General Electric längst nicht mehr das ist, was es einmal war, wirken seine Ideen immer noch nach. In einer ganzen Reihe von Firmen finden wir immer noch diese Spuren gegen den Zeitgeist.

Tatsächlich begegnen uns bei vielen Klienten Top Manager, die Ex-GE-ler sind oder stark von diesem Nimbus beeinflusst sind. Sie sprechen heute etwas selbstironisch davon, „in Crotonville gechipt worden zu sein“: Sie haben das Managen in schnellen Routinen, das Siegen, das Heldenhafte, das vermeintlich Angstfreie und das rationale Managen zutiefst verinnerlicht.

Doch hier ist der Haken: Viele Manager folgen unbewusst diesem Vorbild, ohne die Risiken zu bedenken. Denn diese Siegermentalität birgt erhebliche Risiken. Wenn der Wille zu siegen zum Selbstzweck und zur obersten Maxime wird, können die negativen Folgen für das Unternehmen und die Mitarbeiter gravierend sein.

Was macht diese Siegermentalität so gefährlich?

Warum die Siegermentalität zum Problem wird

Die dunkle Seite dieser Siegermentalität zeigt sich in der Art und Weise, wie Manager agieren: Willensstark, extrem ergebnis- und leistungsorientiert, und oft dominant bis rechthaberisch. Diese Manager sehen die Welt als einen ständigen Wettbewerb, in dem sie sich gegen andere durchsetzen müssen – sowohl extern im Markt als auch intern im Unternehmen.

Ein solches Verhalten führt zu einer „Konkurrenzspirale“, in der jedes Verhalten durch die Brille des Konkurrenzdenkens interpretiert wird. Und diese Spirale erschwert die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Führungsteam erheblich.

Viele dieser Führungskräfte sind getrieben von einem tief verwurzelten Siegeswillen. In ihrer Weltsicht ist der Zweite nur der erste Verlierer. Trotz aller populären Bekenntnisse zu „Teamplay“ und „Zusammenarbeit“ denken sie dichotomisch – sie und die anderen, sie sehen die Welt als permanenten Konkurrenzkampf. Sie sehen sich im Wettstreit um Position, Status, Macht, Einfluss und Erfolg. Und aus dieser Weltsicht heraus gilt es, sich gegen andere durchzusetzen. Immer.

Sie handeln wie auf Autopilot – und „Autopilot“ ist hier genau das richtige Wort.

Der Turbolader im Gehirn

Denn das zeigt die Neurowissenschaft: Es gibt so etwas wie ein Sieger Gehirn, das auf immer Siegen Wollen programmiert ist. Die entscheidende Rolle spielt dabei Testosteron – das Hormon, das die Aggression und die Risikobereitschaft steigert.

Dieses Hormon wirkt wie ein Turbolader im Gehirn. Denn das Siegen führt wiederum zu einer höheren Testosteron-Ausschüttung. Die wiederum wirkt auf Dauer wie ein Modellierer auf Körper, Geist und Verhalten – das Gehirn bildet unter diesem Einfluss zusätzliche Testosteron-Rezeptoren aus.

Die größere Anzahl an Rezeptoren führt dazu, dass das Gehirn auf die gleiche Menge Hormon deutlich stärker reagiert. Siegen wird Managern, die diesem Sieger-Mythos folgen, erst zur Bestätigung, dann zur Gewohnheit, und schließlich zum Kern der eigenen Identität.

Das Ergebnis ist oft ein egozentriertes „Bullying“, das taktische Allianzen fördert, die nur so lange halten, wie sie zum eigenen Nutzen sind. Ist das übertrieben? Nein!

Wir haben es gerade wieder in einer Klientensituation erlebt, in der ein Bully-CEO uns erklärte: „Ich bin überhaupt nur CEO geworden, weil ich genauso bin wie ich bin“. In dieser Logik gibt es keinen Platz für Entwicklung und keine Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Top Team.

Die negativen Folgen für Ihr Unternehmen

Dominante, konkurrenzorientierte CEOs, die diese Siegermentalität fördern, verstärken das ohnehin vorhandene Konkurrenzverhalten im Unternehmen.

Damit richten Sieger-Manager Schaden an! Und das Schlimme ist: der Schaden wir umso grösser, je weniger hierarchisch, flacher und weniger top-down Unternehmen organisiert sind. Man könnte sagen: Je zeitgemäßer und moderner Unternehmen organisiert sind, umso mehr Schaden richten diese Sieger-Manager an. Das ist echt paradox.

Am besten sieht man dieses Problem in Matrixorganisationen, die mittlerweile fast alle unsere Klienten haben. Da hat kein Top Manager ein eingebautes Vorfahrtsrecht. Diese verbreitete Struktur basiert auf der Gleichordnung konkurrierender Ziele und deren Vertretern. Und aus dem Wettstreit der Interessen und Perspektiven entsteht die optimale Lösung. Anders gesagt: Die Qualität von Top Managern in der Matrix zeigt sich erst in der Qualität ihres Streitens.

Denn die moderne Matrixorganisation setzt auf gegenseitiges Vertrauen und produktiven Konflikt. Und auf die Bereitschaft, zugunsten des Gesamtziels Kompromisse einzugehen. Aber genau das funktioniert mit Sieger-Managern nicht.

Die Matrixorganisation fordert von Führungskräften, Verluste hinzunehmen und Vertrauen auf Kredit zu gewähren – etwas, das für „Sieger“ schwer zu akzeptieren ist. Die Software von Siegern funktioniert einfach nicht auf der Hardware der Matrixorganisation.

Vielleicht haben Sie es selbst erlebt: Das Ergebnis ist Silodenken, Grabenkämpfe und ein Mangel an Vertrauen – allesamt Faktoren, die die Zusammenarbeit und die Erreichung gemeinsamer Ziele behindern.

Vom „Me“ zum „We“: Der notwendige Wandel

Um diese schädlichen Muster zu durchbrechen, müssen Manager einen grundlegenden Wandel vollziehen: Weg von der Egozentrik des „Ich muss siegen“ hin zu einer Mentalität des „Wir müssen gemeinsam Erfolg haben“. Es geht darum, die Energie, das Engagement und die Einsatzbereitschaft auf das Kollektiv zu lenken und nicht auf den persönlichen Sieg.

Erfolgreiche Führung in unserer komplexen, vernetzten Welt erfordert die Fähigkeit zur disziplinierten, vertrauensbasierten Zusammenarbeit. Entscheidungen müssen im offenen Dialog getroffen und gemeinsam umgesetzt werden. Dies ist das Erfolgsrezept herausragender Führungsteams.

Vielleicht erkennen Sie sich in diesem Punkt wieder: Gute Führungskräfte handeln als Vorbild und nehmen ihre Teams in die Pflicht, indem sie auf „We over Me“ setzen.

Das fängt bei Ihnen selbst an. Wenn Sie die Zusammenarbeit fördern und Ihr Verhalten darauf ausrichten, wird das Team Ihnen folgen. Ihre eigene Persönlichkeit hat entscheidenden Einfluss auf die Dynamik im Top Team.

Es ist an der Zeit, sich von überholten Vorbildern zu lösen. Deshalb müssen wir uns ehrlich den Fragen stellen: Welches Vorbild prägt Ihr Führungsverhalten – passt es noch zu den heutigen Anforderungen? Und sind Sie bereit, alte Gewohnheiten loszulassen, um Ihr Team und Ihr Unternehmen auf den gemeinsamen Erfolg auszurichten?

Wenn Sie Lust auf mehr haben, hören Sie doch mal in unseren Podcast rein.

Ihre
Anke Houben & Kai Dierke

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