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Die Matrixorganisation und der Sieger-Mythos: Unvereinbare Welten

Unter dem Druck von Komplexität und Unsicherheit haben sich inzwischen viele Unternehmen für die Strukturform der Matrixorganisation entschieden. Sie gilt als die Antwort auf die Herausforderung der neoliberalen Doktrin, dass ein Unternehmen zugleich wachsen und profitabel sein muss. 

Matrixorganisation als Hardware für unsere Zeit

Die Matrixorganisation kombiniert maximale dezentrale Kundennähe einerseits mit optimaler zentraler Bündelung entscheidender Kompetenzen andererseits, z.B. in Entwicklung, Einkauf, Produktion. Klingt also nach dem Besten aus allen Welten – einem eleganten „sowohl als auch“.

Aus dieser Grundidee heraus hat in einer Matrixorganisation kein Top-Manager mit seinem Bereich ein automatisches Vorfahrtsrecht – weder die regionalen „CEOs“, noch die global Verantwortlichen für die zentralen Funktionen. Statt dessen soll im produktiven Konflikt die optimale Lösung entstehen.

Technisch-rational betrachtet, ist die Matrix deshalb die ideale organisatorische „Hardware“ für unsere Zeit. Sie könnte es auch in der Realität sein, wäre sie nicht von Siegern bevölkert.  

Software gegen Hardware

Auffallend oft werden wir inzwischen zu Klienten gerufen, weil es vermeintlich unlösbare Konflikte zu lösen gilt. Die Vielzahl der Einzelfälle addiert sich zu einer Symptomatik, denn die Lage ist immer ähnlich: Die Konfliktsituation in der Matrixorganisation ist dadurch entstanden, dass sich die Kontrahenten mit unvereinbaren Maximalpositionen und aggressiven Verhaltensmustern in eine komplette gegenseitige Blockade gespielt haben. 

Es zeigt sich schnell: Die Software von Siegern funktioniert einfach nicht auf der Hardware der Matrixorganisation. Denn diese Hardware basiert auf Kompromiss – und der Kompromiss kennt keine strahlenden Sieger. 

Deshalb erfahren Manager, die unter dem Imperativ des Sieger-Mythos stehen, die Matrixorganisation als eine einzige emotionale Zumutung: als einen Mechanismus zur pareto-optimalen Verteilung von Verlusten. Und in der Tat erschließen sich die kollektiven Vorteile der Matrix nur dann, wenn jeder einzelne bereit ist, individuelle Nachteile in Kauf zu nehmen. 

Ja, diese Unternehmensstruktur stellt zwei extrem herausfordernde Ansprüche an ihre Führungskräfte. Erstens müssen sie bereit sein, Verluste hinzunehmen: Verluste an Autonomie, an Kontrolle, an Status. Zweitens müssen sie anderen Vertrauen auf Kredit gewähren.

Führungskräfte, die dem ersten Anspruch nicht genügen und nur auf den individuellen Sieg spielen, sind in diesem Umfeld dysfunktional. Versagen sie jedoch beim zweiten Anspruch, sind die Folgen noch schlimmer … 

Regeln statt Vertrauen

Solche Manager sind so geeicht, dass sie für ihren individuellen Vorteil alles tun und dabei auch Grenzen überschreiten. Und das Gleiche erwarten sie auch von anderen. Deshalb kann zwischen „Siegern“ kaum Vertrauen wachsen. 

Dieser Mangel an vertrauensvoller Zusammenarbeit ist in den Unternehmen tagtäglich spürbar.

In ihrer Verzweiflung, dennoch irgendwie eine Basis für die Zusammenarbeit zu etablieren, flüchten sich Unternehmen oft in umfangreiche Regelwerke, kleinteilige Rollenbeschreibungen, detaillierte Auflistungen von Verantwortlichkeiten, permanente Abstimmungsmeetings und nicht zuletzt engmaschiges Controlling. Und ersticken häufig an diesem Versuch, Vertrauen durch bürokratische Symptomlösungen zu ersetzen.

Zugespitzt formuliert: Sieger kommen gerade Matrixorganisationen teuer zu stehen – sie verursachen immense Kosten. Denn ihr Verhalten erfordert einen beträchtlichen „Disziplinierungsaufwand“. Diese hohen verdeckten Transaktionskosten tauchen zwar in keiner Bilanz je auf, aber vernichten faktisch Unternehmenswert.

Aufgedeckt

Weil wir in unserer täglichen Arbeit sehen, dass genau das auf breiter Front passiert, haben wir uns entschlossen, den Sieger-Mythos und sechs weitere vorherrschende Mythen der Führung schonungslos aufzudecken. In unserem Buch „Die 7 Mythen der Führung“ entzaubern wir jeden einzelnen von ihnen. Damit Führung in Deutschland endlich einen Neuanfang wagen kann.

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