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DierkeHouben Insights

Das Wesen von Führung in disruptiven Zeiten

Der US-amerikanische Organisationspsychologe Edgar Schein richtete einmal an eine Gruppe seiner Studenten die Frage, was es bedeutet, ins Top-Management befördert zu werden. Deren Antwort kam ohne Zögern: Das bedeutet, dass man dann anderen sagen kann, was sie tun sollen. 

Damit gaben sie nicht etwa eine naive Vorstellung wieder. Sie sagten genau das, was sie in der Realität der Unternehmen beobachteten. Und daran hat sich nicht viel verändert. Obwohl es heute dringender wäre denn je, sich an das eigentliche Wesen von Führung zu erinnern.

Das verkannte Wesen von Führung

Sagen wir, wie es ist: Viele Manager verkennen das Wesen von Führung. Sie glauben, dass Führen heißt, anderen etwas vorzugeben. Dabei heißt Führen quasi das Gegenteil: Führen heißt dienen. 

Die Autorität einer Führungskraft ist nichts anderes als temporär verliehene Macht im Austausch für eine Dienstleistung. 

Die Verwechslung, der viele Manager unterliegen, hat René Obermann, Ex-CEO der Deutschen Telekom und heute Aufsichtsratschef von Airbus, einmal so ausgedrückt: Es besteht immer die Gefahr, sich selbst mit dem Amt zu verwechseln. Sie glauben, dass Sie sich das hart verdient haben, aber so ist das nicht. Diese Macht ist nur für kurze Zeit verliehen.

Er erklärt auch, warum die Gefahr dieser Verkennung gerade im Top-Management so groß ist: Als CEO hatte ich oft Schwierigkeiten damit, dass man so stark hofiert wird. Wer ihn kennt, weiß, dass er solche Worte nicht nur so dahin sagt, weil sie gut klingen, sondern wirklich so meint. 

Dabei ist er nicht der einzige hochrangige Manager, der sich heute klar dazu bekennt, dass Bescheidenheit und Demut – aus dem Althochdeutschen diomuoti als die „Gesinnung eines Dienenden“ – zum Wesen von Führung gehören. Gerade in Zeiten, in denen auch die letzten scheinbaren Sicherheiten wegbrechen. In denen Selbstüberschätzung und Selbstüberhöhung fatale Auswirkungen haben, weil kein Einzelner mehr in der Lage ist, die nötigen innovativen Lösungen zu finden.

Das wahre Wesen von Führung

Auch Thomas Sattelberger, Ex-Personalvorstand der Deutschen Telekom, hat sich hier sehr eindeutig geäußert: Führung muss eine ausgeprägt dienende Komponente haben und nicht als Positionsmacht gelebt werden. Mutig – und bescheiden – räumte er im gleichen Atemzug ein: Offensichtlich habe ich das nicht hingekriegt.

Das Bedauern, das in diesem Nachsatz mitschwingt, ist nachvollziehbar. Es ist allzu deutlich geworden, dass gerade in Zeiten disruptiven Wandels Führen mehr denn je heißt, das eigene Ego aus dem Spiel zu nehmen. Den Kontroll- und Machtverlust nicht nur zu akzeptieren, sondern zu wollen, weil es gilt, Mitarbeiter konsequent zu entwickeln und in Verantwortung zu bringen, und Rahmenbedingungen so zu verändern, dass Arbeiten in cross-funktionalen Teams überhaupt möglich ist. 

Die Mythen der Führung und die Demut

Das dienende Wesen der Führung im Sinne des „Servant Leadership“ ist keine zierende Attitüde, sondern heute mehr denn je praktische Notwendigkeit. Sich selbst überschätzende „Helden“ haben ausgedient. Der Helden-Mythos, der mit Demut unvereinbar ist, muss daher genauso aus dem Führungsverständnis im oberen Management verschwinden wie die übrigen Führungsmythen, die wir in unserem Buch „Die 7 Mythen der Führung“ beschrieben haben. Denn die Zeit ist reif für einen Neuanfang! Wollen Sie ihn wagen?

2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Ralf Förster
    29. März 2022 10:15

    Hallo Frau Houben, hallo Kai,
    tolles neues Profil, bitte fortsetzen.
    Ja, ich habe es gewagt! Nach dem Genuss von „Gemeinsame Spitze“ und einigen Gesprächen mit Kai hieß es – raus aus der Komfortzone und einen neuen Weg einschlagen.
    Wer jetzt aber denkt, das war nach 2 Monaten geschehen, der liegt vollkommen schief. Sowohl meine Führungsmannschaft, wie auch die Mitarbeiter fragten sich sichtlich „Was will er denn jetzt schon wieder?“
    Nach fast 2 Jahren intensiver Arbeit haben wir ein vollkommen neues Miteinander. Dies gilt für das tägliche Business, aber auch beim Blick nach vorne. Und gerade dieser wird heute sehr stark durch Mitarbeiter geprägt. Nach dem Motto „Können wir das mal ausprobieren?“
    Aber Vorsicht – nicht alle Vorgesetzten sind auf dem Weg der Erkenntnis schon so weit gelangt;-)
    Eure Fortsetzung „Die 7 Mythen der Führung“ bestätigt vieles des Erlebten. Wiederum sehr gut verständlich und wenig abgehoben geschrieben, habe ich es genossen und die nächsten Ansatzpunkte gefunden.

    Antworten
    • Anke Houben
      4. April 2022 15:27

      Lieber Herr Förster, ganz herzlichen Dank für Ihre lieben Worte und vor allem Ihren Mut, Führung anders zu leben – und diesen Schritt durchzuhalten! Das gibt einfach ein tolles Beispiel! Gerade wenn wir an die in manchen Studien beschriebene „Führungsmüdigkeit“ der Generation X und Y denken (wir dürfen gerade einen Artikel dazu schreiben), ist es umso wichtiger, wenn Top Führungskräfte ein so starkes Vorbild für nachfolgende Führungs-Generationen geben, Neues ausprobieren und Mut zeigen. Danke dafür! Herzliche Grüsse auch von Kai, Anke Houben

      Antworten

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