Bescheidenheit, Führung, Leadership, Führungskraft, Management, Organisation
DierkeHouben Insights

Die bescheidene Unbescheidenheit – warum sie die Basis souveräner Führung ist

„Bescheidene Menschen werden bewundert – falls man jemals etwas von ihnen hört“, ätzte schon der Essayist E.W. Howe Anfang des 20. Jahrhunderts. Das trifft auf die Welt der Manager heute immer noch zu. Zwar haben Sie den Beifall auf Ihrer Seite, wenn Sie heute Bescheidenheit im Management fordern. Doch machen wir uns nichts vor: Die Realität haben Sie nach wie vor gegen sich. 

Ausnahmefall bescheidene Unbescheidenheit

Besonders im Top-Management liegt zwischen Propagieren und Praktizieren von Bescheidenheit ein tiefer Graben. Bescheidenheit wird in vielen Unternehmen immer noch gleichgesetzt mit Entscheidungsschwäche – und „Schwäche“ ist für jeden Manager ein vernichtendes Urteil. 

„Ich öffne doch keine Flanke – das nutzen andere nur aus“, hören wir immer wieder von Führungskräften und: „Bescheidenheit als Person und Ambition in der Sache sind doch niemals vereinbar!“ 

Doch diese Einschätzung ist falsch! Im Gegenteil: In Kombination mit persönlicher Bescheidenheit entwickelt höchste Ambition in der Sache ihre eigentliche Kraft. Zu diesem Schluss kam vor zwanzig Jahren schon Management-Forscher Jim Collins.

Manager auf Stufe 5

Er erkannte: Building enduring greatness through a paradoxical combination of personal humility plus intense professional will creates sustained business results. Und entwickelte daraus seine Führungsformel für dauerhaften Unternehmenserfolg: „Level 5 Leaders“. 

In seinem nach wie vor gültigen fünfstufigen Modell rangieren die charismatischen Führer der 80er und 90er Jahre nur auf Stufe 4 – Führer, die sich auf sich selbst konzentrieren und wenig Raum für andere lassen. Führungskräfte der höchsten Stufe dagegen sind niemals von sich selbst eingenommen, handeln mit stiller, ruhiger Entschlossenheit, lenken den Fokus nicht auf sich selbst und entwickeln starke Nachfolger für noch größeren Erfolg. Sie schauen nicht in den Spiegel, sondern zollen anderen Anerkennung, wenn die Dinge gut laufen. Sie schauen auf sich, nicht auf andere, wenn es darum geht, Verantwortung für Fehler zu übernehmen. Und bei aller Bescheidenheit schaffen diese Level-5-Manager mit ihren Unternehmen den Sprung von „good“ zu „great“.

Natürlich wurde Jim Collins auch gefragt, wie eine Führungspersönlichkeit den Sprung auf Stufe 5 schaffen kann. Und er gab eine ebenso klare wie herausfordernde Antwort darauf. 

Ein existenzieller Erfahrungsschritt

We would love to be able to give you a list of steps for getting to Level 5 – other than contracting cancer, going through a religious conversion, or getting different parents –, but we have no idea. Tatsächlich haben viele der Führungskräfte, die heute persönliche Bescheidenheit mit Unbescheidenheit in der Sache vereinen können, wie Satya Nadella, CEO von Microsoft, oder Vasant Narasimhan, CEO von Novartis, zuvor existenzielle Erfahrungen gemacht. Und auch wir erleben das in unserer Arbeit: Führer mit innerer Stärke, bescheidenem Auftritt, aber großer professioneller Ambition haben aus früheren Erfahrungen gelernt – und sind zutiefst selbst-reflektiert. Sie sind es, die die Antwort auf disruptive Zeiten sind – nicht die demonstrativ heroischen Führer. 

Sie sind persönlich bescheiden – und haben zugleich den Mut, kühne disruptive Ambitionen zu formulieren, ohne klare Prognosen. Geschäftsmodelle fundamental in Frage zu stellen, besonders die erfolgreichen. Innovative Experimente mit offenem Ausgang auszuhalten. Langfristigen Erfolg in den Fokus zu nehmen und ihn über kurzfristige Ergebnisse zu stellen. Neue Formen der Zusammenarbeit zu erproben, intern wie extern. Also alles, was souveräne Führer heute leisten sollten.

Im Englischen haben schon vor Jahren Führungskräfte von IBM dafür den Kunstbegriff „Humbition“ vorgeschlagen, als Symbiose von „humbleness“ und „ambition“. 

Humbition vs. Mythen

Viele Studien haben inzwischen gezeigt, dass persönliche Bescheidenheit erfolgsversprechender ist als dominantes Auftreten. Und wenn Sie sich nun fragen, warum dieses Erfolgsmodell der „bescheidenen Unbescheidenheit“ dennoch immer noch so selten anzutreffen ist, dann können wir Ihre Frage gut verstehen. Wir haben sie uns selbst gestellt – und haben ein ganzes Buch dazu geschrieben: „Die 7 Mythen der Führung

Und wir würden uns freuen, wenn wir mit Ihnen zusammen etwas bewirken können, damit die bescheidene Unbescheidenheit auf breiter Front Einzug hält in Deutschlands Führungsetagen. Der erste Schritt dazu ist der bewusste Abschied von althergebrachten, immer noch weit verbreiteten Führungsmythen.

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